Ständig Hunger seit Diät
Seit meiner Diät habe ich ständig Hunger

Ständig Hunger seit Diät

Seit meiner letzten Diät habe ich ständig Hunger!

Diesen Satz habe ich die Tage in der Praxis von einer neuen Patientin gehört.

Meine Patientin hatte schon immer mit ihrem Gewicht gekämpft und schon viele Diäten hinter sich.

Sie war nie so wirklich glücklich mit ihrer Figur und schwankte immer so 10 KG rauf und runter!

Ich muss ständig an Essen denken und dabei möchte ich doch endlich mal mein Gewicht halten. Klar fühlt sich mein neuer flacher Bauch toll an und ich bin glücklich, dass ich wieder in meine Lieblingsjeans rein passe.

Aber der Preis ist hoch. Ich muss ständig überlegen:

  • Was ich esse
  • Wie viel ich essen
  • Wie viele Kalorien habe ich zu mir genommen
  • Wie viel Sport muss ich treiben, damit ich nicht zunehme

Ich habe mir Excel Tabellen gemacht und schreibe akribisch alles auf, was ich esse.

Das fühlt sich fast wie ein eigener Job an. Nichts ist mehr spontan. Mir macht nichts mehr Spaß und ich fühle mich müde und schlapp. Aber ich möchte doch diesmal wirklich mein Gewicht halten!

Sie hatte wirklich toll abgenommen. 10 KG waren verschwunden, aber um welchen Preis.

Was war da in ihrem Gehirn passiert, dass sie ständig an Essen denken musste und ständig Hunger hatte.

Wenn sie nur etwas mehr als sonst gegessen hatte, sagte die Waage am nächsten Morgen „Alle Cookies“ gespeichert. Sie möchte doch so gerne diesmal ihr Gewicht halten und nicht ständig wieder zunehmen. Aber das geht nur mit absoluter Disziplin bei ihr!

 

Kommt dir so etwas bekannt vor?

 

Ständig kontrollieren, was du gegessen hast?! Aber kontrollieren nimmt dir die Lebensqualität! Es fühlt sich an als würde all das, was du abgenommen hast auf deiner Psyche sitzen.

Diese Patienten sagte definitiv, dass sie keine Lebensqualität mehr hätte und das Gefühl, depressiv zu werden.

Meine Patientin machte 5-mal die Woche Sport. Wog jedes Lebensmittel ab und trug alles in eine Tabelle ein. Sie hatte mehr Sport in ihren Alltag integriert, fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit, nahm die Treppen anstatt des Aufzuges und vieles mehr.

Zucker; Brot und Nudeln hatte sie komplett aus ihrem Speiseplan verbannt. Und trotzdem nahm sie langsam wieder zu. Sie nahm nie mehr als 1.500 kcal pro Tag zu sich.

Was ist da passiert, dass sie ständig Hunger hatte seit der Diät?

Der Körper meiner Patientin hat alles getan, um seine Kilos wieder zu bekommen. Warum macht das Gehirn so einen „Murks“ mit uns?

Eine andere Patientin sagte einmal: „Am besten du wirst niemals dick!“ Die meisten bleiben dick, weil das Gehirn dieses Körpergefühl gespeichert hat.

Der Grund war einmal ein guter und ist jetzt aber nicht mehr zeitgemäß.

Die Ursache geht bis in die Steinzeit zurück. Da war Essen nicht zu jeder Zeit im Supermarkt verfügbar. Die Menschen mussten jagen und ernten. Wenn die Jagd schlecht ausfiel, dann hatte man nichts zu essen.

Um zu überleben, hat der Körper alles gespeichert, bis das „Mammut“ erlegt war. Das hatte damals seinen Sinn. So lange hat der Körper ein zu viel an Energie in den Fettzellen eingelagert. So konnte er in Hungerzeiten darauf zurückgreifen. Das ist ja auch absolut sinnvoll und erleichtert das Überleben, in der Steinzeit.

Außerdem wurde die eingespeicherte Energie für die nächste Jagd benötigt. Dein Körper und dein Gehirn haben nur ein Ziel: „Dein Überleben!“

Das kannst du dir so vorstellen wie den Vorrat bei den Tieren, die keinen Winterschlaf machen. Sie legen in ihrem Bau einen Vorrat an.

Die Tiere (Hamster, Eichhörnchen etc.) essen ihre Vorräte auch nicht an einem Tag auf. Die haben einen „externen“ Speicher. Unser Körperallerdings hat einen „internen“ Speicher und das sind unsere Fettzellen.

Sobald wir weniger essen, macht unser Körper alles, damit diese angelegten Vorräte möglichst lange halten. Früher, in der Steinzeit, war das überlebensnotwendig. Heute jedoch, wo Essen jederzeit in Hülle und Fülle zur Verfügung steht, fällt unser dieser Mechanismus in den Rücken. Er boykottiert so einfach jede Diät.

Leider hat unser Gehirn mit zunehmenden Nahrungsquellen und Luxusleben kein genetisches Update bekommen. Wenn dein Körper merkt, dass du nur 10% deines Körpergewichts verlierst, geht eine Kaskade los. Diese Kaskade hat nur ein Ziel. Das Ziel ist eigentlich ein sehr edles! Sie will dich überleben lassen. Ist ja auch eigentlich nichts Verwerfliches und zur Steinzeit absolut sinnvoll.

Dafür sind verschiedene Hormone zuständig:

  • Ghrelin (unser Hungerhormon). Aus diesem Hormon wird der Appetit gemacht. Es wird in den Zellen der Magenschleimhaut und in der Bauspeicheldrüse gebildet, wenn der Magen leer ist. Das Hormon meldet an das Gehirn „HUNGER“. Und du hast das Gefühl, sofort etwas essen zu müssen. Dieses Hormon kannst du wunderbar mit Wasser austricksen. Damit kannst du den Magen füllen und Ghrelin hält erst mal die Klappe. Dieses Hormon steigert leider nicht nur den Appetit, sondern verlangsamt auch den Stoffwechsel. Es verhindert die Fettverbrennung. Bei Schlafmangel wird übrigens auch verstärkt Ghrelin ausgeschüttet, so dass du auch durch zu wenig Schlaf mehr Appetit bekommst. Ghrelin löst aber nicht nur Hunger aus, es löst auch Angst und Depressionen (wenn du Angst vor dem Mammut hast, wirst du bestimmt nicht hinterherlaufen und ihn erlegen; eigentlich logisch). Bei Mäusen hat man beobachtet, dass sie bei Stress vermehrt Ghrelin ausschütten. Also macht wahrscheinlich Dauerstress auch etwas “flauschiger”. Dieses Experiment an den Mäusen aht gezeigt, dass Depressionen und Angst nachlassen, wenn das Hungerhormon ausgeschüttet wird.

Hier der  Link zur Studie :Michael Lutter, Ichiro Sakata, Sherri Osborne-Lawrence, Sherry A Rovinsky, Jason G Anderson, Saendy Jung, Shari Birnbaum, Masashi Yanagisawa, Joel K Elmquist, Eric J Nestler, Jeffrey M Zigman: The orexigenic hormone ghrelin defends against depressive symptoms of chronic stress. In: Nature Neuroscience. 11, 2008, S. 752–753, doi:10.1038/nn.2139.

 

Die Ghrelinausschüttung ist leider nicht nur während des Abnehmens erhöht, sondern noch lange danach. Das erklärt die Hungerattacken, obwohl nach der Diät wieder genug gegessen wird.

In einer Studie zeigte sich, dass der Wert nach der Diät um 20% höher war als vor der Diät. Das erklärt, warum meine Patientin auch noch lange nach Erreichen ihres Wunschgewichtes solche Hungerattacken hatte. Da hatte meine Patientin wirklich nicht mit gerechnet.

  • Leptin ist unser Sättigungshormon. Das hört sich ja erst mal super an. Es kurbelt den Stoffwechsel an. Leptin wird n den Fettzellen gebildet und soll den Körperfettspiegel konstant halten. Wenn das Körperfett zunimmt, schicken die Fettzellen Signale an das Gehirn melden: „Wir sind satt, wir sind voll, wir brauchen nichts mehr!“. Leptin wacht über das was wir essen. Wenn wir einen hohen Leptinspiegel im Blut haben, greifen wir automatisch zu deutlich weniger fettigen Nahrungsmitteln. Die Pharmaindustrie hatte natürlich schon die Idee dieses tolle Hormon künstlich herzustellen, dies hat aber leider nicht geklappt. Die Studien sind leider nicht positiv gelaufen. Die Forscher vermuteten bei den übergewichtigen Probanden so etwas wie eine Resistenz. Das bedeutet, dass der Körper nicht mehr darauf reagiert hat. Was da jetzt bei einer Diät passiert ist kein Hexenwerk mehr. Der Körperfettspiegel sinkt und Leptin meldet auch keine Sättigung mehr an das Gehirn. Während der Diätphase und auch noch danach, ist das Leptin arbeitslos, aber das Ghrelin ist hyperaktiv. Auch hier gibt es Studien, dass Probanden noch lange nach der Diät deutlich niedrigere Leptinspiegel hatten als vor der Diät. Ein TEUFELSKREIS!
  • Peptid YY ist ein Verwandter des Leptin. Es unterdrückt den Appetit, der zwischen den Mahlzeiten auftritt. Eweißreiche Kost hilft mehr von diesem Hormon zu produzieren. Damit bremst es den Appetit.

FAZIT: Bei einer Radikaldiät kommt es zu einer kompletten Verschiebung der Hormone. Diese Verschiebung tut deinem Körper nicht gut. Er holt sich das „Verlorene“ zurück, zumindest versucht er es.

Dies führt zu ständigem Hunger, so als ob du die Wand annagen könntest vor lauter Appetit.

Das kann dazu führen, dass du dich ständig mit Essen beschäftigst. So kann man sich auch eine Essstörung erziehen. Eigentlich dachtest du, dass jetzt endlich die Sache mit zu viel Gewicht vorbei ist. Leider falsch. Messungen haben ergeben, dass es Monate bis Jahre dauert, bis dass die Hormone wieder richtig ticken.

Wer zu schnell zu viel Gewicht abnimmt, dem stellt das Gehirn eine Falle. Das Ziel dieser Falle ist, möglichst schnell wieder an Gewicht zuzunehmen.

  • Das Belohnungssystem im Gehirn (das möchte Lust, Freude und Entspannung); Es reicht nach nicht, dass die Hormone Salto springen, jetzt kommt auch noch das Belohnungssystem dazu. Dieser sagt uns: Du warst so fleißig heute, du hast dir was verdient. Nimm doch etwas Schokolade oder ein schönes Schnitzel. Das hat doch viel Eiweiß! So schlimm wird es nicht sein, nur Heute, nur einmal. Jetzt kommt der Gegenspieler des Belohnungssystem ins Spiel. Dies regelt alles Rationale, der präfontale Cortex (er ist sozusagen dein schlechtes Gewissen). Der präfontale Cortex plant Handlungen und fragt dich: „Willst du wirklich die Tüte Chips essen? Morgen hast du wieder ein Kilo mehr auf der Waage. Du wirst dich morgen früh schrecklich ärgern. Die beiden sind sehr unterschiedlich und der eine möchte dem andern die Führung abnehmen. Mal sehen, wer da gewinnt. Im günstigsten Fall ist es wie ein Tanz. Mal führt der eine und mal der andere. Diese Zerrissenheit kennt wohl fast jeder, der sich schon mal mit dem Thema abnehmen beschäftigt hat.

FAZIT: im “Gesunden” Tanzen die beiden einen harmonischen Tanz, nach einer Diät geht das aber gepflegt in die Hose. Den Mangel, den unser Belohnungssystem erlitten hat, versucht es sich wieder zu erkämpfen.

Im MRT konnte das tatsächlich nachgewiesen werden. Das Belohnungssystem war nach einer Diät wesentlich aktiver und die Region für die Vernunft herabgesetzt.

Für dein Gewicht ist das natürlich der absolute „NO GO“ und hilft dir so gar nicht dauerhaft dein Gewicht zu halten.

Schlechte Essgewohnheiten kannst du nur über längere Zeit ändern und das Gewicht lieber langsam als zu schnell reduzieren. Alles andere kommt zurück und bringt aufgrund dieser Hormonkaskade auch noch ein paar Freunde (Kilos) mit.